Schuberts "geheimere Welt"

Zur Musik

Josef Kupelwieser war der Bruder des Malers und Schubertfreundes Leopold Kupelwieser, der, wie viele begabte Maler seiner Zeit, ebenfalls nach Rom ging und dort ein Mitglied des Nazarenerbundes wurde. So tangieren sich durch die Kupelwieser-Brüder Leopold und Josef Nazarenerbund und Schubert-Kreis, jene Gruppierung junger Maler, Dichter und Musiker, die sich ihre eigene Kunstöffentlichkeit in Wien zu schaffen suchten.

Wie für die Nazarener ist auch für die jungen Menschen in "Fierrabras" Rom das zentrale Ereignis ihres Lebens. Dort haben sie sich kennen- und lieben gelernt. Die Väter aber waren in Rom nicht dabei und wissen daher nichts von den Sehnsüchten ihrer Kinder. So entgleiten diese ihnen, ihrer Liebe und ihrer Herrschaft. Bei den Kindern hingegen herrscht Furcht vor den Vätern und deren Geboten. Aus dieser Konstellation werden Hoffnungen und Ängste geboren, diese schaffen den Handlungsraum, in dem der innere subjektive Pulsschlag, jene "geheimere Welt" oft schmerzlich mit dem äußeren Gang der Ereignisse kollidiert.

Schubert setzt seine "geheimere Welt" bereits mit den ersten Takten. Der Ouvertüre ist eine musikalische Inschrift vorangestellt, die Antizipation des A-cappella-Männerchores (Nr. 14), dessen Text lautet: "O teures Vaterland! Verlassen weilt deiner Söhne treue Schar: den soll des Todes Graun erfassen, der deines Ruhmes Kämpfer war." Im Blasersatz der Einleitung artikuliert Schubert den hier noch verschwiegenen und erst später offenbarten Text als Ausdruck absoluter Einsamkeit und Verlassenheit, ja als Ausgeliefertsein an eine äußere unabänderliche Lage und eine innere, unabwendbare Situation der Verzweiflung, des Verlusts jeder Hoffnung und jeden Vertrauens. Erst nach diesem musikalischen Epigraph beginnt die eigentliche Ouvertüre. Hier werden die Themen exponiert in der Spannung zwischen einer privaten und öffentlichen Musiziersphäre: ein von Seufzermotiven und abfallender Quarte dominierter Bereich steht einer trompetenverzierten, Dur-haltigen Marschmotivik gegenüber. In der Durchführung schwingt sich eine Holzbläser-(Oboen-)Melodie auf wie ein Hoffnungsstrahl und verbindet beide Bereiche.

Märsche, der Ritter und der Mauren, feierliche Und kriegerische, signalisieren in der Oper die objektive, unaufhaltsam verstreichende Zeit, den Gang der Ereignisse. Es eignet ihnen etwas Unerbittliches. Sie sind Bestandteile öffentlicher Rituals, wie Karls Siegesfeier zu Beginn der Handlung (Nr. 3 "Zu hohen Ruhmespforten") und des Maurenfürsten Totenfeier gegen Schluss, wenn zur Marcia funebre (Nr. 21b) der Scheiterhaufen errichtet wird, dem die fränkischen Ritter wiederum unter Marschmusik zugetrieben werden (Nr. 22 "Der Rache Opfer fallen"). Im Kontrast dazu und mit auffallender Konsequenz hat Schubert den Frauen, sofern sie allein singen, immer den Vs-Takt gegeben. Der fließende wiegende Siciliano-Rhythmus wird hier seinem Charakter entsprechend als Wiegen-, Spinn- oder Reigenlied im intimen Bereich eingesetzt. Im Frauenkreis beginnt die Oper. Emma und ihre Hofdamen warten auf die Heimkehr der Väter, Brüder und Geliebten aus dem Krieg: "Der runde Silberfaden läuft sinnig durch die Hand", singen sie. Welcher Sinn? Warten ist die Existenz dieser Frauen. Wünsche und Ängste bilden ihr Stickmuster. Strophe um Strophe wird der Faden abgespult, wird mit Worten gewebt, mit "Liebespfand" und "Hochzeitstag", it "Trauerpfand" und "Tränentuch". Zuerst keimt noch Hoffnung (C-dur), dann aber werden die verborgenen Ängste laut, ist mit dem Wechsel zu g-moll und c-moll von Grab und Tod die Rede.

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