Ausgewählte Daten zur Geschichte der Reichsabtei Burtscheid, der beiden Kirchen St. Johann-Baptist und St. Michael sowie der „Herrlichkeit Burtscheid“
997 Gründung eines Klosters zu Ehren der Heiligen Nikolaus und Apollinaris unter Kaiser Otto III. Der erste Abt, der Basilianerabt Gregor, stammt aus Kalabrien.1016/18 Fertigstellung der ersten (romanischen) Abteikirche; Wechsel des Patroziniums: Johannes der Täufer wird Hauptpatron der Kirche, zweiter Patron Nikolaus von Myra. Die Abtei wird eine Benediktinerabtei, die bis 1220 besteht.
1018 Kaiser Heinrich II. schenkt der Abtei ein Neubruchgebiet aus dem Besitz der kaiserlichen Pfalz, das Gebiet Burtscheid (Porcetum). Innerhalb dieser Grenzen entsteht später die „Herrlichkeit Burtscheid“.
1040 Kaiser Heinrich III. überträgt aus dem Pfarrsprengel der Aachener Marienkirche (Pfalzkapelle) die im Dorf lebenden Königsleute dem Kloster.
nach 1100 Das Burtscheider Johanneskloster wird von Siegburg aus reformiert. Es erlebt eine neue Blüte, die bis zum Ende des 12. Jahrhunderts anhält.
um 1190 Unter Abt Arnold werden die Gebeine des Gründerabtes Gregor feierlich zur Ehre der Altäre erhoben. Sein Todestag (4. November 999) wird bis zur Aufhebung der Abtei als Festtag begangen.
um 1200 Auf dem Salvatorberg in Aachen entsteht ein Frauenkonvent, der sich dem Zisterzienserorden anschließt.
1220/21 Unter Kaiser Friedrich II. und Erzbischof Engelbert von Köln als dem deutschen Reichskanzler, zugleich Ortsbischof von Burtscheid, werden die Benediktiner aus dem Kloster vertrieben. An ihrer Stelle ziehen die Zisterzienserinnen vom Salvatorberg in die Gebäude und bekommen alle Besitzungen und Rechte der Benediktiner übertragen.
Die Klosteraufsicht obliegt zunächst der Abtei Heisterbach (s. auch die Berichte von Caesarius von Heisterbach über das Kloster Burtscheid), vom 14. Jahrhundert an der Abtei Himmerod. Vom 16. Jahrhundert an ist der Abt von Clairvaux Vaterabt von Burtscheid. In seinem Auftrag visitieren vorwiegend Äbte aus dem nahen Valdieu (Gottestal / Belgien) die Burtscheider Zisterzienserinnenabtei.
Anfg. 13. Jh. Wahrscheinliche Entstehungszeit der Burtscheider Leute-Pfarrei Sankt Michael.
1248 Schwere Schäden an den Klostergebäuden bei der Belagerung der Stadt Aachen durch Graf Wilhelm von Holland.
1252 Zur Kompensation der Schäden wird die Pfarrkirche St. Michael der Abtei, die das Patronat über die Leutekirche bereits besessen hat, inkorporiert (Großer Zehnt und Fruchtzehnt). Der Status einer Rektoratskirche bleibt St. Michael bis zum Ende des Alten Reiches erhalten.
Mitte 14. Jh. Die romanische Abteikirche wird abgebrochen; an ihrer Stelle errichten die Nonnen eine dreischiffige gotische Kirche.
1351 Die Abtei vergibt ihre Gerichtsrechte über die „Herrlichkeit Burtscheid“ an die freie Reichsstadt Aachen. Diese stellt künftig das Amt des „Meiers“ für das Dorf Burtscheid. Seit 1018 ist die Geschichte der „Herrlichkeit Burtscheid“ eng mit der Abtei verbunden. Die Äbtissin ist Grundfrau und Gerichtsherrin über Burtscheid. In den Vögten der Burg Frankenberg ist der Abtei ein Machtkonkurrent entstanden, dessen sie sich durch einen Vertrag mit der freien Reichsstadt Aachen erwehren will. Das Vorhaben mißlingt, da auch Aachen sich später in Burtscheider Angelegenheiten einmischt. Ein Rückkauf der Gerichtshoheit kommt nicht zustande.
Mit dem Schöffengericht entsteht mit der Zeit eine vierte politische Kraft (nach Abt/Äbtissin, Vogt/Obervogtei und Meier/Reichsfreie Stadt Aachen), die Einfluß auf die Entwicklung des Ortes Burtscheid nimmt. Erst im 18. Jahrhundert gelingt es der Äbtissin, wieder stärkste Kraft innerhalb der „Herrlichkeit“ zu werden.
1618-1669 Unter den vier Äbtissinnen aus dem Hause Raitz von Frentz werden die Klostergebäude erneuert. Darunter befindet sich das heute noch erhaltene Abteitor von 1644.
1736-1741 und 1748-1754 Die gotische Abteikirche wird niedergelegt und der Aachener Stadtbaumeister Johann Joseph Couven (1701-1763) mit dem Bau einer neuen, barocken Kuppelkirche beauftragt. Vorbild ist der süddeutsche und italienische Barock. Zum Bau der Kuppel ruft Couven, wohl auf Empfehlung von Conrad Schlaun, die Südtiroler Familie Klausener nach Burtscheid.
1748-1751 Couven errichtet gleichzeitig auch den Neubau der Pfarrkirche St. Michael in vereinfachter Form. Der mittelalterliche Turm bleibt stehen. Vorbild ist hier der französische Barock (Pariser, Lütticher Kirchen).
1794/1802 Unter der französischen Herrschaft wird das
Zisterzienserinnenkloster aufgelöst und sein ganzer Besitz versteigert (
Säkularisation). Die verbliebenen Stiftsdamen erhalten eine Rente und kehren zum Teil zu ihren Familien zurück.
1806 Dem Bischof des neugegründeten französischen Bistums Aachen, Marc-Antoine Berdolet (1802-1809), gelingt es, die ehemalige Abteikirche in eine Pfarrkirche umzuwandeln, wodurch sie einem möglichen Abriß entgeht. Die Pfarre St.-Johann-Baptist erhält auch den reichen Abteischatz übertragen.
Die Pfarrkirche St. Michael bekommt den Rang einer Kantonalkirche (Kanton Burtscheid, in preußischer Zeit Kreis Aachen) (1804). Ihr unterstehen 17 Hilfspfarreien (Sukkursalkirchen). Der Pfarrer von St. Michael führt seitdem den Titel “Oberpfarrer”.
1891/1892 Die Kirche St. Michael wird nach Westen um zwei Joche und einen hohen Turm erweitert (Architekt Peter Peters).
1942/1944 Beide Burtscheider Pfarrkirchen werden im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Der Wiederaufbau dauert bei St. Johann-Baptist bis 1949, bei St. Michael bis 1986 (Architekten: Peter Salm, Hans Küpper, Herbert Queck).
Dr. Thomas Wurzel / Helmut Doerenkamp