Im Frieden den Krieg finden, im Feind den Freund

Zu Kupelwiesers Text und dessen Quellen

Mit dem lichten Strahl der Freundschaft, der Hoffnung auf das "teure Vaterland" hebt die Oper "Fierrabras" an. Gegen Ende lodert - als Gegenlicht - das Feuer des Scheiterhaufens, in dem die maurische Fürstentochter Florinda dem christlichen Ritter Roland die "Treue bis zum Grabe" hält. Das Happy-End wird gewaltsam herbeigeführt: des Maurenfürsten Sohn Fierrabras hat Vater, Land und Religion abgeschworen, erobert als Christ und Ritter Karls des Großen die Heimat. König Karl erstickt die rasenden Leidenschaften - des Scheiterhaufens Gluten - im Namen der Vernunft.

Die Oper "Fierrabras" handelt von Schuberts und seiner Freunde Sehnsucht nach einem radikalen Sein ohne Entfremdung, von einem Traum, der "allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat" (Ernst Bloch). In "Fierrabras" heißt diese Heimat Freundschaft und Liebe;
der Ort, wo sie gedeihen, ist Rom. Josef Kupelwiesers Textbuch liegen drei Quellen zugrunde. Die erste und sichtbarste bildet den Stoff, die Zeit der Glaubenskriege Karls des Großen gegen den Islam in Spanien (um 800). König Karl, Roland, Emma und Eginhard sind dem Sagenkreis um Karl den Großen entnommen. Friedrich Schlegel, der Wortführer der Romantiker, sprach in seinen Wiener Vorlesungen 1810 von Karl dem Großen als dem "Baumeister des Abendlandes". In dieser Figur konzentrierten sich damals die Hoffnungen auf ein ideales Universalreich. Die zweite Schicht (mit Fierrabras und Baligant, der bei Kupelwieser zu Boland wird) ist dem Rolandslied entlehnt, dem mittelalterlichen Hohelied auf Männerfreundschaft (Roland und Olivier) und Vaterlandsliebe. Teile der musikalischen Emblematik, vor allem die Hörn- und Trompeten-Symbolik, spielen auf das Rolandslied an. Der Name Fierrabras wird in wechselnder Bedeutung - weniger korrekt "Großmaul, Eisenfresser"; richtiger "Mann mit wildem Arm" - übersetzt und ist durch Kupelwiesers Schreibweise als Fierrabras in die Operngeschichte eingeführt. Motive aus Calderons Stück "La puente de Mantible" bilden die dritte Schicht des Kupelwieserschen Textbuches. August Wilhelm Schlegel hatte "Die Brücke von Mantible" bereits 1806 übersetzt. Die Calderon-Adaption Kupelwiesers steht auf dem Hintergrund eines zu Anfang des 19. Jahrhunderts allgemein verbreiteten Interesses an fremden Kulturen und Religionen. Nicht nur von einem Universalreich, sondern auch von einer Universalreligion träumten die Romantiker. Bestimmte europäische Religionspraktiken, vor allem die Verketzerung von Andersartigem im Katholizismus und die Austreibung von Sinnlichkeit jeglicher Art im Calvinismus, lehnten sie ab. In Ermangelung eines Universalreiches erschufen sie sich erst einmal eine eigene "Heilige Stadt". Ihr Wunschbild Rom entsprach natürlich nicht dem der Katholischen Kirche. Vielmehr suchten und fanden sie in orientalischen Kulturen und Religionen Anregungen für eigene neue Ideen. Den Islam begrüßten sie als eine alternative Lebensphilosophie ohne Tabus. So ist beispielsweise ein Konflikt in Calderons "Brücke von Mantible" auf der sexuellen Abhängigkeit eines Geschwisterpaares begründet, so wird die Religion unbedenklich gewechselt, wenn es die Liebe fordert. Hier setzt Kupelwiesers Adaption ein. Auch Florinda und Fierrabras, sein maurisches Geschwisterpaar, geben Religion, Vater, Land und Sitten hin, um ihrer Liebe zu folgen.

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