Brief an OmaHin und wieder schreibt Ernst
(Tenor) einen Brief an seine Oma.
Und auch wenn Ernst uns inzwischen bedauerlicherweise verlassen hat, gibt es die Korrespondenz noch im Internetz: |
Liebe Oma,Zu Deinem Geburtstag möchte ich Dir hiermit von ganzem Herzen gratulieren. Ich hoffe, es geht Dir gut, und daß Du noch recht viele Geburtstage feiern kannst. Das Wetter in Aachen ist klasse. Es hat jetzt schon über 2 Stunden nicht geregnet (gut - ein paar Tröpfchen, aber die zählen ja nicht). Und ich kann das Wetter gut für meine spärlichen Freizeitaktivitäten nutzen. Vom Büro will ich gar nix erzählen.
Aber der Chor. Da ist es ja soooo schön. Und wir singen ja auch so schöne
Lieder. Du musst unbedingt mal zu einem Konzert von uns kommen. Das
letzte war schon wieder so toll, das war diese Messe von dem Herrn
Rossini.
Aber die schönsten Stellen sind doch die, wo der Chor singt. Oma! Diese Frauenstimmen! Wir im Tenor haben es ja ziemlich gut. Wir stehen da ja direkt hinter dem Sopran. Die können singen, sag ich Dir. Und alles Mädchen. Und so hübsche. Und die kleine Rothaarige erst. Weisst Du, Oma, ich glaube, der Sopran ist die schönste Stimme im ganzen Chor. Und dann der Alt. Im Alt singen ja auch viele Mädchen. Eigentlich fast nur. Das klingt total schön, wenn die zusammen mit dem Sopran was singen, also nur Mädchenstimmen, glockenklare Mädchenstimmen. Und die sind vielleicht hübsch im Alt. Junge, junge. Ich glaube, Oma, die schönste Stimme im Chor ist eigentlich der Alt. Aber die sitzen schon ein bißchen weiter weg als der Sopran, hübsch sind sie aber auch sehr. Ich singe ja beim Tenor mit. Tenor singen ist klasse. Man kann da
richtig schmettern. Laut und hoch. Viele berühmte Sänger
sind ja Tenor.
Und dann ist da natürlich noch der Baß. Der Baß
soll ja so einen Chor stützen. So von unten. Und das ist auch
sehr wichtig. Aber ich glaube eigentlich, daß der Baß oft
zu wichtig genommen wird. Ich meine, ein paar Quinten, das sind doch
ganz einfache Intervalle. Das ist gar nicht schwierig, sowas zu
singen. Stütze hin, Stütze her.
Aber das sind wohl nur die schwarzen Schafe, die immer so gemein
sind. Ein paar sind ja auch dabei, die singen auch schonmal beim Tenor
mit, was ich natürlich gut verstehen kann, weil das ja auch die
viel interessantere Stimme ist. Aber natürlich können die
das gar nicht so gut.
Ja, der Baß... Man wird nix, wenn man da mitsingt. Die Neuen,
die wir so kriegen, die fangen jetzt auch immer lieber im Tenor an.
Kein Mensch will noch Baß singen.
Der Carsten z.B. Der zieht sein Selbstwertgefühl eben nicht aus
dem Baß, sondern der verwirklicht sich als Notenfritze. Hoermal,
Oma, Du lachst. Aber der Notenfritze ist der totalallerwichtigste Job
bei uns im Chor. Stell Dir doch nur mal vor: Ohne Notenfritzen hätten
wir ja auch gar keine Noten. Und ein Sänger ohne Noten ist wie
ein Leser ohne Buch - geht nich! Oder eine Lampe ohne Birne. Der
Carsten sorgt auch für die Stifte. Oft möchte man sich ja
mal eine lustige Kritzelei in die Noten malen. Oder man schreibt auf
einen Zettel eine wichtige Nachricht für die kleine Rothaarige
aus dem Sopran. Und dafür brauchen wir Stifte, und der Carsten
ist dafür zuständig, daß wir auch immer welche haben.
Und das ist auch wichtig. Stell' Dir vor, Oma: Ein Sänger, der
sich keine Notizen machen kann, ist wie ein intellektueller Leser mit
Buch, der sich keine Notizen machen kann. Ja, oder eben eine Lampe mit
Birne ohne Schalter. Und davon hätte auch ein Leser mit Buch und
Stift nix. Es wär dann ja zu dunkel.
Der andere Baß, der da noch versucht, durch etwas Engagement
auf sich aufmerksam zu machen, ist der Georg. Auch Baß, ist
klar. Muss ich wohl nicht noch mal erläutern, woran das jetzt
liegt. Der Georg hat sich allerdings natürlich das Sahnestückchen
rausgepickt. Während Carsten harte Arbeit verrichtet, ist Georg
eher sowas wie der Vergnügungsausschuss. Der organisiert immer
bloß so Weihnachtsfeiern. Oder wenn wir mal alle zusammen ein
Wochenende wegfahren wollen, dann organisiert der die Unterkunft.
Hotels vertraut man dem Georg noch nicht an, deshalb fahren wir immer
bloß in so Herbergen.
Das sind so die Stimmen in unserm Chor.
Aber dann haben wir ja noch den Hermann. Das ist ja unser Chorleiter, also der, den man in unseren Konzerten immer nur von hinten sehen kann. Dabei wäre das gar nicht nötig. Sicher, mit dem Alt, oder gar mit dem Sopran kann der natürlich nicht mithalten. Aber wenn sich James Last erlauben kann, beim Dirigieren in die Kamera zu grinsen, dann kann unser Hermann das allemal. Nichts gegen James Last, Oma, aber wenn Du nur fünf Jahre jünger wärst - Du wüßtest wovon ich rede. Und Sachen kann der, der Hermann. Oma, der hört einen Ton, z.B. wenn ein Stuhl über den Boden quietscht, und dann kann der direkt das ganze Konzert dazu am Klavier vorspielen. Gut, so kommen wir zwar nur wenig zum Proben, aber ich erkenne jetzt schon eine ganze Menge Konzerte an der Saalbestuhlung. Und der hat auch schon viel erlebt, und hat eine Menge Ahnung. Der weiß unheimlich genau, welche Fehler auch so große Chöre normalerweise machen. Dann erzählt er so, wie er da auch schon selber überall mal mitgesungen hat, und was die dann so falsch gemacht haben. Wir werden wohl kein großer Chor werden, wir machen diese ganzen Fehler ja jetzt nicht mehr. Gut, bei uns singt Hermann ja auch nicht mit. Manchmal erzählt Hermann auch einfach so irgendwas. Es wird nicht immer ganz klar, wie er nu ausgerechnet dann darauf kommt, aber er hat so eine bannende Art, daß man ihm einfach zuhören muß. Du solltest mal erleben, wie dann vor allem der Alt und erst der Sopran an seinen Lippen hängen, seinen amüsanten Ausführungen folgen und verschmitzt über die charmant gesetzten Pointen kichern. Oma, James Last - Pah! Und die Backstreet Boys kennst Du ja wahrscheinlich sowieso nicht. Ich hab mal ausgerechnet, was der Chor mich an Geld spart. Wenn ich z.B. jeden Montag stattdessen eine Karte fürs Kabarett kaufen müsste.... Und ganz manchmal, wenn der Hermann wirklich gute Laune hat, wenn wir wirklich schön gesungen haben, und er mit uns zufrieden gewesen ist, wenn er dann glaubt, daß wir alle unsere Töne können, dann machen wir schonmal gemischte Aufstellung. Natürlich nur ganz kurz, Oma. Dann dürfen sich die Jungs nämlich beim Singen neben die Mädchen stellen. Das ist toll! Ich versuch' dann immer den Platz neben der kleinen Rothaarigen aus dem Sopran zu kriegen. Dann krieg ich oft gar keinen Ton raus. Deswegen trau' ich mich auch manchmal nicht. Aber ich hör ja so gern ihre Stimme, Oma. Ui, Oma, jetzt hab ich ja wohl viel vom Chor erzählt. Ich hoffe, Du findest nicht, daß ich mich jetzt zu lange daran aufgehalten habe. Das nächste Mal schreibe ich Dir dann wieder was aus dem Büro. Viele liebe Grüße,
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